Multiples Myelom
Das Multiple Myelom ist eine maligne Erkrankung des Knochenmarks, welche formal zu der Gruppe der reifen B-Zell Neoplasien gezählt wird.
Diese Erkrankung ist charakterisiert durch die Entartung von Plasmazellen, die normalerweise im Immunsystem für die Antikörperproduktion verantwortlich sind. Durch die unkontrollierte Vermehrung (Proliferation) entstehen genetisch identische Zellen (Klone), die alle den gleichen (monoklonalen) Antikörper oder ihre Bruchstücke (freie Leichtketten), die sogenannten Paraproteine, produzieren.
Ist die maligne Zellpopulation an mehreren Stellen im Knochenmark (multifokal) lokalisiert oder durchsetzt sie das Knochenmark diffus, spricht man vom Multiplen Myelom. Findet sich nur an einer Stelle eine herdförmige Ansiedlung, wird die Erkrankung als Plasmozytom bezeichnet. Im Verlauf der Krankheit werden die blutbildenden Zellen des Knochenmarks durch die maligne Plasmazellpopulation zunehmend verdrängt, was sich im peripherem Blut als eine Anämie, Thrombozytopenie oder Leukozytopenie widerspiegelt.
Außerdem kann es lokal zu einer Zerstörung der Knochensubstanz (Osteolyse) kommen.
Themen im Überblick
Häufigkeit (Inzidenz)
Das Multiple Myelom ist eine Erkrankung des höheren Alters. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu und steigt ab dem Alter von 50 Jahren signifikant an. Das mittlere Alter liegt zum Zeitpunkt der Diagnose bei ca. 70 Jahren. Das Verhältnis von betroffenen Männern zu Frauen beträgt 3:2.
Jährlich werden in Deutschland etwa 3 – 6 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner diagnostiziert. Mit ca. 1 % aller Krebserkrankungen in Deutschland stellt die Erkrankung nach Leukämien und Non-Hodgkin-Lymphomen die dritthäufigste hämatologische Neoplasie dar.
Symptome
Die Symptome des Multiplen Myeloms sind heterogen. Häufig sind Blut, Nieren und insbesondere das Skelettsystem betroffen.
So klagen ca. 65 % der Patientinnen und Patienten über Knochenschmerzen durch Osteolysen oder Frakturen (wobei 10 % einer orthopädischen oder chirurgischen Therapie bedurften). Bei ca. 40 % der Patientinnen und Patienten wird eine Anämie-bedingte Abgeschlagenheit und Müdigkeit beobachtet. Eine Infektneigung, die bei ca. 10-20 % beobachtet wird, ist auf den Mangel an funktionierenden Antikörpern zurückzuführen. Weiterhin können Nierenschäden beobachtet werden, die im direkten Zusammenhang mit der Ablagerung des Paraproteins im Nierenfunktionsgewebe stehen.
Jedoch sind bis zu 25 % der Patientinnen und Patienten bei Diagnosestellung beschwerdefrei.
Pathogenese/Entstehungsursachen
Zu den Risikofaktoren für die Entstehung des Multiplen Myeloms zählen ein hohes Lebensalter, ein männliches Geschlecht und eine bestehende monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS), eine Vorstufe des Multiplen Myeloms.
Eine konkrete Ursache für diese Erkrankung ist weitgehend unbekannt. Derzeit werden die Exposition gegenüber chemischen Stoffen (Pestizide und Lösungsmittel), ionisierender Strahlung sowie Adipositas und chronische Infektionen als mögliche Risikofaktoren diskutiert. Allerdings ist auch eine familiäre Häufung des Multiplen Myeloms beschrieben. So steigt das Risiko für Verwandte ersten Grades von Betroffenen auf das 2-4 fache an, ebenfalls am Myelom zu erkranken.
Diagnostik
Die Diagnose eines Multiplen Myeloms kann gestellt werden, wenn der Anteil der Plasmazellen im Knochenmark auf mindestens 10 % angestiegen ist und weitere Parameter (wie z.B. Nachweis einer monklonalen Gammopathie) für ein Myelom/Plasmozytom sprechen.
Daher ist eine Knochenmarkpunktion mit einer zusätzlichen Zytogenetik erforderlich. Weiterhin umfasst die Diagnostik eine Anamnese und eine körperliche Untersuchung und verschiedene Laboruntersuchungen (Blut, Urin), wobei die Untersuchung der Paraproteine (krankhafte, von den Myelomzellen gebildete Eiweißstoffe) eine zentrale Rolle einnimmt. Zusätzlich ist eine radiologische Diagnostik (sog. „Pariser Schema“) zur Erfassung von Knochenveränderungen (Osteolysen) unverzichtbar.
Chromosomenstatus/Zytogenetik
Da die Chromosomenanalyse aufgrund der geringen Proliferationsrate der Plasmazellen in vitro limitiert ist, spielt hier die Fluoreszenz in Situ Hybridisierung (FISH) eine bedeutende Rolle, die auch an sich nicht teilenden Zellen erfolgen kann. Durch die spezifische Anreicherung der Plasmazellen (CD138-positive Zellen) im Knochenmark mittels Magnet-aktivierter Zellsortierung (MACS) kann bereits ein geringer Infiltrationsgrad des Multiplen Myeloms im Knochenmark erfasst werden.
Ca. 90 % aller Myelome zeigen chromosomale Veränderungen. Dabei werden zwei zytogenetische Hauptgruppen beschrieben: 50-60 % der Fälle sind durch den Zugewinn von unterschiedlichen Chromosomen (Hyperdiploidien) gekennzeichnet, während 30 % der Fälle mit bestimmten strukturellen Chromosomenveränderungen wie z.B. Translokationen (hauptsächlich mit Beteiligung des IGH-Locus) assoziiert sind. Chromosomenanomalien haben beim MM sehr große diagnostische und prognostische Bedeutung
Genstatus/Molekulargenetik
Mit neueren Untersuchungsmethoden, wie dem „Next Generation Sequencing“ (NGS) lassen sich bei bis zu 50 % aller Myelom-Patientinnen und Patienten Genmutationen in einer der Komponenten des MEK/ERK-Signalwegs und in 17 % Mutationen des NFKB-Signalwegs nachweisen. Die nachfolgende Tabelle gibt hier einen aktuellen Überblick (Lohr et al 2014).
Therapieoptionen/Behandlungsmöglichkeiten
Definition des therapiepflichtigen Multiplen Myeloms
Prozentualer Anteil der klonalen Plasmazellen im Knochenmark ≥ 10% oder durch Biopsie nachgewiesenes Knochen- der extramedulläres Plasmozytom und ein oder mehrere der folgenden, das Myelom definierenden Ereignisse:
Endorganschäden (mindestens eins der folgenden vier)
– C = Hyperkalziämie (Konzentration im Serum >2,75 mmol/l (>11 mg/dl) oder >0,25 mmol/l (> 1 mg/dl) über dem Normwert)
– R = Niereninsuffizienz (Kreatinin > 177 μmol/l (>2 mg/dl) oder Kreatinin-Clearance <40 ml/min)
– A = Anämie (Hämoglobinkonzentration <10 g/dl oder > 2g/dl unter dem Normwert)
– B = Knochenerkrankung (eine oder mehrere Osteolysen nachgewiesen durch Projektionsradiographie, CT oder PET-CT)
Biomarker; SLiM-CRAB-Kriterien (mindestens ein Biomarker nachweisbar)
- Anteil der klonalen Plasmazellen im Knochenmark ≥60%
- Verhältnis von beteiligten zu unbeteiligten freien Leichtketten im Serum ≥100 (Werte basieren auf
dem Serum-Freelite-Assay von Binding Site) und betroffene freie Leichtkette mit einer Konzentration von ≥ 100mg/l
- Mehr als eine fokale Läsion in der MRT ≥5mm
Aktualisierte Diagnosekriterien (2014) für das symptomatische Multiple Myelom. (Quelle, Patienten Handbuch 2017)
Aktuelle Leitlinien zur Myelom-Therapie finden Sie unter www.onkopedia.com
Literatur
Widespread genetic heterogeneity in multiple myeloma: implications for targeted therapy Jens G. Lohr et al. Cancer cell 2014
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