Prognoseklassifikation bei Myelodysplastischen Syndromen (MDS)
MDS zeigen eine sehr heterogene Prognose. Daher sind genaue Klassifikationssysteme entscheidend für die Therapieentscheidung und Einschätzung des Krankheitsverlaufs. Der folgende Abschnitt bietet eine kurze Übersicht:
1. IPSS (International Prognostic Scoring System)
Das IPSS, 1997 eingeführt, war lange das zentrale Instrument zur Risikoeinschätzung (Greenberg et al. 1997).
Es basiert auf drei Hauptkriterien:
- Anteil der Blasten im Knochenmark
- Anzahl und Schwere der Zytopenien (Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie)
- Art und Zahl der zytogenetischen Aberrationen
Das IPSS teilt Patienten in vier Risikogruppen ein:
Low, Intermediate-1 (Int-1), Intermediate-2 (Int-2) und High.
2. IPSS-R (Revised IPSS)
2012 wurde der IPSS-R aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse veröffentlicht, um die Prognose präziser darzustellen (Greenberg et al. 2012). Die Verbesserungen im IPSS-R umfassen:
- Feiner abgestufte Klassifikation der Zytopenien mit quantitativer Abstufung
- Hinzufügen neuer prognostisch relevanter zytogenetischer Aberrationen
- Detailliertere Einteilung der zytogenetischen Befunde in fünf Risikogruppen (sehr gut bis sehr schlecht)
- Differenziertere Einteilung des Blastenanteils.
Patienten werden in fünf Risikogruppen eingeteilt:
Sehr niedrig, niedrig, intermediär, hoch und sehr hoch.
3. IPSS-M (Molekulares IPSS)
Seit 2022 ist der IPSS-M verfügbar, welcher erstmals auch molekulargenetische Mutationen berücksichtigt, da diese (z.B. TP53, ASXL1, SF3B1) eine entscheidende Rolle in der Prognose spielen (Bernard et al. 2022).
Der IPSS-M nutzt:
- Blastenanteil
- Zytopenien
- Zytogenetik
- Mutationsprofil (über 30 Gene)
Es bietet eine noch präzisere individuelle Risikoeinschätzung und teilt Patienten in sechs Risikogruppen ein.
Zusammenfassung
Die Prognoseklassifikation bei MDS hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verfeinert. Der aktuelle Goldstandard IPSS-M kombiniert klinische, zytogenetische und molekulare Informationen und ermöglicht damit eine individuellere Therapieplanung. Prognosesysteme sind essenziell, um Patienten optimal zu betreuen und die richtige Balance zwischen beobachtendem Abwarten und aggressiver Therapie zu finden.
Merkmal | IPSS (1997) | IPSS-R (2012) | IPSS-M (2022) |
---|---|---|---|
Berücksichtigte Faktoren | Blastenanteil, Zytopenien, Zytogenetik | Verfeinerte Zytopenien, detaillierte Zytogenetik, Blastenanteil | Blastenanteil, Zytopenien, detaillierte Zytogenetik, Mutationen |
Risikogruppen | 4 Gruppen: Low, Int-1, Int-2, High | 5 Gruppen: Sehr niedrig bis sehr hoch | 6 Gruppen: Sehr niedrig bis sehr hoch |
Mutationen | Nein | Nein | Ja, über 30 Gene |
Ziel | Basis für Therapieentscheidung | Präzisere Risikostratifizierung | Individuelle Präzisionsmedizin |
Literatur
Bernard E, …, Haase D, Ganster C et al. Molecular International Prognostic Scoring System for Myelodysplastic Syndromes. NEJM Evid. 2022 Jul;1(7):EVIDoa2200008.
Greenberg P et al. International scoring system for evaluating prognosis in myelodysplastic syndromes. Blood. 1997 Mar 15;89(6):2079-88.
Greenberg PL, Tuechler H, Schanz J, …, Haase D. Revised international prognostic scoring system for myelodysplastic syndromes. Blood. 2012 Sep 20;120(12):2454-65.
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